Neuer Artikel in der Tageszeitung “Neues Deutschland” (von Elisabeth Heinze)
Kampf gegen Insolvenzverwalter
Die griechische Kooperative Vio.Me fordert Unterstützung durch den Staat
Die Seifenprodukte von Vio.Me
Foto: nd/Ulli Winkler
|
»Die Manager wollten uns loswerden«, meint Spiros Sgouras, Mitglied der Kooperative Vio.Me. »Als der Insolvenzverwalter den Gläubigern – mehrheitlich die Arbeiter von Vio.Me – mitteilte, wir sollen alles Stück für Stück veräußern oder das Geschäft ganz aufgeben, haben wir nicht mitgemacht.« Die kämpferischen Beschäftigten, die weder bezahlt noch entlassen wurden, versuchensich seither dem Prozess der Zwangsauflösung zu entziehen.
In der besetzten und selbstverwalteten Fabrik im nordgriechischen Thessaloniki wird die Vio.Me-Bioseife hergestellt, die sich mittlerweile einen Namen gemacht hat. Sie ist als Ausdruck der Solidarität gegenüber dem krisengebeutelten Griechenland bekannt und und im Ausland oft nur schwer zu bekommen. Im nd-Shop ist sie jetzt wieder erhältlich.
Vio.Me war eine der drei Tochterfirmen der Filkeram AG, eines 1961 gegründeten Herstellers für Keramikfliesen, der mit 350 Angestellten zu den wichtigsten Unternehmen der Region zählte und seine Produkte auch in 29 Länder exportierte. Mit der Krise drohte das Aus. 2011 meldete die Eigentümerfamilie Filippou schließlich Konkurs für das Unternehmen an. Die Not machte die Arbeiter erfinderisch: Etwa 30 von ehemals 70 Angestellten am Standort Thessaloniki blieben hartnäckig und nutzen seither die Anlage, um nunmehr die Produktion von ökologischen Reinigungsmitteln voranzutreiben.
Während sich die Arbeiter gegen den Ausverkauf des Fabrikvermögens und ihre Arbeitslosigkeit zur Wehr setzten, gelang ein echter Neustart: Mit der Besetzung und der Umformung des Sortiments gelang es, ein Netz von Verkäufern ohne Zwischenhandel zu etablieren und sich die Produktionsbedingungen anzueignen.
Doch im Insolvenzverfahren sollte die erfolgreiche Tochter in die Abwicklung des Unternehmens hineingezogen werden. Im Zuge der drohenden Versteigerung hat sich der Insolvenzverwalter auf juristischem Weg Zutritt zum Gelände erstritten und kann theoretisch alle beweglichen Gegenstände veräußern. Dies würde auch gespendete Materialien und Hilfsgüter für Flüchtlinge und einer auf dem Gelände eingerichteten Sozialklinik betreffen, in der nicht krankenversicherte Arbeiter behandelt werden. Doch es gibt Widerstand in Thessaloniki: Ein Zutrittsversuch des Insolvenzverwalters konnte verhindert werden. »Aus rechtlicher Sicht und aus politischen Gründen werden wir ihm keinen Eintritt erlauben«, meint Sgouras und fügt hinzu: »Uns ist klar, dass wir als Arbeiter, die sich auf das Gesetz berufen, nicht unbedingt eine Garantie haben.«
Aus diesem Grund hat die Vio.Me-Kooperative erneut eine Onlinepetition gestartet mit dem Anliegen, das vollständige Nutzungsrecht der Fabrikanlage zu erwirken und so seinen Fortbestand zu sichern. Ganz utopisch ist das nicht: Eine Lagerhalle wurde vor sieben Jahren wegen Steuerschulden einbehalten und ist nicht Teil der Insolvenzmasse. Die Arbeiter plädieren daher dafür, zur Tilgung der Schulden der ehemaligen Eigentümer die gesamte Produktionsstätte dem Staat zu übergeben. Dieser könnte das Land dann wieder den Arbeitern übergeben.
Sgouras hält diesen Plan für durchaus realistisch, schließlich »wäre nichts mehr von diesem Ort übrig, wenn es nicht die Besetzung gäbe«. Da ein entsprechender Antrag dem Arbeitsministerium bereits vorliegt und die Regierung in der Vergangenheit eine außergerichtliche Lösung in Aussicht gestellt hatte, soll die Petition im Oktober im Rahmen einer Demonstration nebst Soli-Konzert in Athen übergeben werden.